Kettenpanzer

Der Kettenpanzer

Nach dem Zusammenbruch des Weströmischen Reichs gab es lange Zeit keine nennenswerte Rüstungsindustrie auf europäischem Boden (außer in Byzanz), was den Wert einer Kettenrüstung noch erhöhte. Die Kettenrüstung war im Frühmittelalter im Großteil Europas deshalb weniger verbreitet, daneben existierten diverse Arten von günstigeren Textil- und Lederrüstungen, zudem Schuppenpanzer. Letzterer bot außerdem besseren Schutz gegen Wuchtattacken, da er etwas starrer war, insgesamt war er jedoch dem Kettenhemd unterlegen. Im Gegensatz zur römischen Kettenrüstung bedeckte die Kettenrüstung des Mittelalters immer größere Teile des Körpers. Im 12. und 13. Jahrhundert wurde das Kettenhemd zu einer wichtigen Rüstungsform der Ritter. Neben dem Kettenpanzer trug man Kettenhandschuhe, den Topfhelm und die Helmbrünne.

Eine komplette mittelalterliche Kettenrüstung, die einen Großteil des Körpers schützte, bestand aus mehreren zehntausend Stahlringen, die miteinander vernietet wurden, um ein Aufplatzen der Ringe – etwa durch Pfeilschüsse – zu erschweren. Deshalb war es äußerst aufwändig, eine solche Rüstung herzustellen, was sich auch im Preis widerspiegelte. Eine Kettenrüstung konnte so viel kosten wie mehrere Dutzend Rinder, weshalb es sich zunächst nur wohlhabende Adlige – und manchmal auch Geistliche – leisten konnten, eine solche Rüstung zu erwerben. Die Hersteller von Kettenrüstungen wurden in Deutschland Panzermacher oder Sarwürker genannt. Die Panzermacher waren zunftgebunden. Vor allem das Deutsche Reich galt als Hochburg dieses Handwerks in Europa.

Eine Kettenrüstung bot einen sehr guten Schutz vor Schnittverletzungen, aber gegen wuchtige Hiebe und kraftvolle Stiche half sie wenig. Deshalb gibt es erstmals für das Hochmittelalter sichere Belege dafür, dass unter oder über der Kettenrüstung eine Textilrüstung getragen wurde, die man als Gambeson bezeichnete. Dadurch erhöhte sich der Schutz, den eine Kettenrüstung vor Hieb- und Stichwaffen bot. Die Kombination von Gambeson und Kettenhemd schützte historischen Quellen nach sogar vor Langbögen, Stichattacken und Lanzenangriffen anstürmender Kavalleristen.

Nachteilig an einer Kettenrüstung war die Tatsache, dass ein Großteil ihres Gewichts auf den Schultern des Trägers lastete. Diese Tatsache wurde dadurch ausgeglichen, dass man einen Gürtel um die Hüfte schlang, so dass einiges Gewicht auf den Beckenbereich abgeleitet wurde. Außerdem bot sie auch in Verbindung mit einem Gambeson nur wenig Schutz gegen Streitaxthiebe, Streitkolben und Armbrustbolzen.

Ab der Mitte des 13. Jahrhunderts ging man dazu über, die Kettenrüstung nach und nach durch Metallplatten zu verstärken oder zu ersetzen. Diese Entwicklung war um das Jahr 1400 abgeschlossen und resultierte in dem Plattenpanzer. Sie lässt sich durch vielfältige soziologische, ökonomische und wissenschaftliche Veränderungen erklären. Die Vorstellung, Plattenpanzer seien in einem „Waffenrennen“ entstanden, ist von einem moderner Blickpunkt beeinflusst, durch Erfahrungen in der Kriegsführung im 20. Jahrhundert. Tatsächlich waren durch neue Entwicklungen (Hochöfen und die Nutzung von Wasserkraft beim Schmieden) und die Vergrößerung der Städte die Bildung spezialisierter Plattnereien überhaupt erst möglich geworden. Die neuen Rüstungen waren wesentlich preiswerter: Ein Plattenpanzer war im 15. Jahrhundert günstiger als ein Kettenhemd, denn ein Kettenhemd herzustellen dauert mehrere Monate, eine Brustplatte hingegen brauchte nur 2 Tage. Hinzu kommt, dass in der Kriegsführung die Infanterie immer wichtiger wurde, genau wie Berufssoldaten und Söldner (Zum Beispiel die Landsknechte und Schweizer Pikeniere). Selbst schwere Kavalleristen wie die französischen Gendarme waren nicht mehr exklusiv Adlige. Man war also auf der Suche nach Möglichkeiten, viele Menschen günstig zu rüsten.

Da ein Plattenpanzer aber möglichst flexibel sein musste, blieben bestimmte Körperteile wie die Achseln und der Genitalbereich ungeschützt. Deshalb trug man noch längere Zeit nach Aufkommen des Plattenpanzers ein Kettenhemd unter dem Harnisch, oder man schützte zumindest die Lücken, die der Plattenpanzer ließ, durch Kettengeflecht. Bei einfachem Fußvolk war es z.B. während des 16. Jahrhunderts üblich, einen Hals- und Nackenschutz aus Kettengeflecht – den so genannten Bischofskragen – zu verwenden. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts kam zwar ein Genitalschutz für Plattenpanzer – die so genannte Brayette – auf, diese konnte aber auf dem Rücken eines Pferdes nicht getragen werden, weshalb auch in diesem empfindlichen Bereich manchmal noch Kette verwendet wurde. Auch in Fechtkämpfen kam es noch längere Zeit vor, dass man unter der Kleidung ein Kettenhemd trug. Nahezu vollständig erhaltene früh- und hochmittelalterliche Kettenhemden sind nur in sehr geringer Stückzahl bis in die Gegenwart überkommen (Panzerhemd des Hl. Wenzel, Prag, Veitsdom, um 900/10). Die meisten Exemplare in den Museen und Sammlungen stammen aus dem Spätmittelalter oder der frühen Neuzeit oder entstanden gar erst im 19. Jahrhundert in oft hervorragender handwerklicher Qualität.

Herstellung

  • Ausgangsmaterial eines Kettenhemds ist der Draht, meist 1-2 mm.
  • Dieser wird auf einen Stab aufgewickelt, wodurch der sogenannte „Wurm“ entsteht.
  • Dieser wird von der Stange abgezogen und längsseits auseinandergeschnitten. Dabei entstehen einzelne offene Ringe.
  • Die Ringe werden zum Vernieten vorbereitet bzw. die Hälfte der Ringe verschweißt.
  • Die entstandenen Ringe werden miteinander verknüpft.
  • Die Ringenden werden nun miteinander vernietet. Unvernietete Kettenhemden sind im Fundgut bisher nicht aufgetaucht.

Ein einziges Kettenhemd konnte mehrere Rinder kosten. An einem Hemd wurde mitunter bis zu einem Jahr gearbeitet.

Das durchschnittliche Gewicht eines einfachen Kettenhemds mit kurzen Armen beträgt etwa 15 Kilogramm.

Quelle : http://de.wikipedia.org/wiki/Kettenr%C3%BCstung

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Kettenbeinlinge


Normannische Kettenhaube mit Mundlatz

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